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Reden

Einführungsrede von Kurator Karsten Panzer Ausstellung im Technologie Park Bensberg am 1.7.2019. (Auszug)

Liebe Kunstfreunde, sehr geehrter Herr Landtagsabgeordneter Deppe, lieber und treuer Kunst-Begleiter Lutz Urbach, sehr geehrter Herr Jansen vom Veranstalter der BEOS AG, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Kollegen, vor allem aber liebe beide Aussteller, Manuele Klein und Odo Rumpf - Ihnen und Euch allen ein herzliches Willkommen zu unserer heutigen Vernissage der 58. Auflage von "Kunst im TBG" mit dem auf den ersten Blick etwas holprigen Titel "finde und suche" [...]

Ein in diesem Sinne bester Ratgeber ist Pablo Picasso, dem nachfolgender Ausspruch zugeschrieben wird, den ich hier gerne zitiere, weil er die Intention unseres Themas so trefflich fundiert:

"Ich suche nicht - ich finde!
Suchen, das ist das Ausgehen von alten Beständen
und das Finden-Wollen von bereits Bekanntem.
Finden, das ist das völlig Neue.
Alle Wege sind offen,
und das was gefunden wird,
ist unbekannt.
Es ist ein Wagnis,
ein heiliges Abenteuer.
Die Ungewissheit solcher Wagnisse
können eigentlich nur jene auf sich nehmen,
die im Ungeborgenen sich geborgen wissen,
die in der Ungewissheit geführt werden,
die sich vom Ziel ziehen lassen
und nicht selbst das Ziel bestimmen."

"Absichtsloses Finden" aber ist eine herausragende Qualität insbesondere der informellen Kunst, aber auch zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse und technologische Erfindungen sind dem "Zu-fall", dem Zu-Fallenden", also den nicht-kausalen Verfahren, zu verdanken. Und
im Zen-Buddhismus ist dies sogar ein geistiges Ideal....

Solcherlei "Er-Findungen" sind ihrerseits sehr oft der Boden zu komplett innovativem Denken und elaboriertem Forschen, mithin zu einer weiteren, vertiefenden Suche.

"Finden" allerdings setzt aber vor allem die Fähigkeit des Erkennens voraus, ist mithin also selbst schon ein Erkenntnis-Prozess. Diese Kompetenz ist eben nicht nur intuitiv oder gar instinktiv angelegt, sondern nährt sich durchaus, wenn nicht hauptsächlich, aus erworbenem
Sach- und Weltwissen, das sich aber als gänzlich offen erfährt.

So gesehen können die Wege der Entstehung UND der Realisierung der Arbeiten beider
Künstler eine sichtbare, interdisziplinäre Brücke und einen weiträumigen Radius zu
Wissenschaft und Technologie herstellen.

Besonders signifikant ist all das bei Odo Rumpf zu beobachten, der mit einigen seiner fast zahllosen Arbeiten kurzfristig für Hannes Lorenz eingesprungen ist. Erst einmal großen Dank hierfür, lieber Odo. Du warst ja schon mehrfach bei Kunst im TBG zu Gast, und bist zudem auch
ein Gutstück an der Institutionalisierung von "Kunst im TBG" beteiligt. Denn als wir in der Mitte der 1990-er Jahre mit dem "Festival Kunstplätze" im TBG gastierten, waren es u.a. Deine Arbeiten, die dem damaligen TBG-Chef Angerer so imponierten, dass er die "Kunst im TBG"
zu einem festen Bestandteil des TechnologieParks erhob . Ich freue mich ganz besonders, dass Du als Mit-Künstler der ersten Stunde heute beim Finale auch wieder dabei bist. ,**Ü

Und ich erinnere mich auch lebhaft, wie Du, der gelernte Diplom-Ingenieur , durch die Hallen des TBG gestreift bist und Dich mit wilder Finder-Freude durch die seinerzeit noch reichlich von der INTERATOM herumliegenden, entsorgten, rostigen und verbogenen Maschinenteile
gearbeitet hast, eben durch Berge solcher Fundstücke , denen Du ja bis heute immer wieder zu einem völlig neuen Kunst-Leben, verhilfst....und die sich heute in Deiner Gründung von "Odonien" dem fabelhaften "Freistaat für Kunst und Kultur" in der Kölner Hornstraße tummeln
dürfen. Dort läuft auch aktuell Deine große Jahresausstellung mit 30 Groß-Skulpturen aus fast 30 Jahren künstlerischen Schaffens.

Gerne lese ichauszugsweise Deinen authentischen Text, der Deine künstlerische Dynamik authentischer beschreibt als jedes feuilletonistische Wortgetöse:

"Von der Zivilisation vergessen ruhen die Überreste menschlichen Fortschrittglaubens seit Ewigkeiten auf ihren Friedhöfen; im Erdreich eingebettet, an Stränden, auf Schrottplätzen oder stillgelegten Industrieanlagen. Dort liegen sie allgegenwärtig und unbeachtet. Dort werden sie als Schrott bezeichnet: rostig, zerbrochen, verbogen, dreckig, nutzlos. Ich suche und finde sie: Ich freunde mich mit ihnen an und nehme sie mit zu seinen Artgenossen in mein Fundstücklager.
Es kommt die Zeit, da nehme ich eines heraus, kombiniere es je nach dem mit wenigen oder auch vielen seiner Freunde; ein Kunstobjekt entsteht. Meine Arbeit ist mit der eines Archäologen vergleichbar, der ausgegrabene Scherben solange miteinander kombiniert bis sich ein „Ganzes“ ergibt, mit dem Unterschied, dass mein geschaffenes „Ganzes“ noch nie als solches existierte.
Der Prozess der Arbeit verselbständigt sich, das Kunstobjekt wächst von alleine. Die einzelnen Teile wachsen zusammen. Meine Arbeit ist die des kreativen und handwerklichen
Zusammenfügens. Das Werk ist fertig, wenn es „stimmt“."

...und ich möchte aus meiner Sicht hinzufügen: wenn das zufällig gefundene Alte seine innovative Sinn-Suche stimmig abgeschlossen hat.

Rumpfs bizarre, pittoreske und oft grotesken, neue Sinn-Welten sind für jeden offenen Betrachter wahre Fundgruben kontextbefreiter Wahrnehmung und die durch inhärente Widersprüche eine dialektische Suche nach Harmonisierung des scheinbar Fremden
inszenieren...wer auch immer Rumpfs Plastiken "findet" , ist sofort schon zur Suche nach Ursprung und Wandlung vergattert....

[...]

Ausstellung „Herkommen“ am 24.10.2011 im TechnologiePark Bergisch Gladbach

Odo Rumpf hat das Motto der Ausstellung „Herkommen“ annähernd sklavisch übersetzt. Der in Köln wirkende Künstler war in former times diplomierter Maschinenbauingenieur.Nun definiert er in dieser Ausstellung das Thema über den biologischen Kreislauf des Lebens.
Herkommend aus dem Wasser, dann mühsamste Evolution auf das Land, weiter in die Lüfte erhebend und mit Riesensprung ins 21. Jahrhundert transformiert und schlussendlich katapultiert.
Allerdings, wer Rumpf auf Jurassicpark-Saurier und/oder seine zwerghaften Objekte, die über und über korrodierten Fetische reduziert, wird ihm bis aufs Schmunzeln nicht gerecht. Zu leicht wird das spielerische Hantieren mit funktionslosen Artefakten als Kontrastprogramm für Vostells Postulat, „dass ein Künstler dauernd verzweifelt ist“, mit durchgängiger Witzigkeit verwechselt.“

Das fortgesetzte Sammeln und Bewahren von Fundstücken, zwischen ruinösen Bauten, kann nur dann artifiziell erfolgreich sein, wenn genügend innewohnende Energie, experimentelle Wucht und authentisches Potenzial des Sammlers vorherrscht.
Odo Rumpfs häufig rostige Objekte wollen die Verbindung zur lebendigen Natur, ihre physisch-kulturelle Umgebung zeigen. Der Reiz liegt in der passiven, eher neutralen Information, um die körperliche Präsenz zu transportieren. Entnommen aus dem bekannten idealen Raum, dem „Industrie-Fundort Odonien“ in Köln-Neu-Ehrenfeld, eine Art Kriegsschauplatz mit Garten. 
Odo Rumpf kann nachvollziehen, dass 1880 van Gogh auf einer Amsterdamer Müllhalde begeistert „Mein Gott, ist das schön!“ ausrief.
Die Materialien seiner Industriegroßbrache bedingen suggestive Bilder und leiten an den spektakulären Raubsauriern vorbei zu anderen neuzeitlicheren stählernen Knochen.

Der (Lehr) Pfad in den Bensberger Skulpturenpark beginnt am Eingang des Foyers, flankiert von einem feuerspeienden! saurierähnlichen Drachen. Dieser aus der Sagenwelt stammende Unhold verhilft Millionen Jahre später auch zum Einstieg in das Zeitalter der Aufklärung.

An den Säulenheiligen, den Fetischen entlang fällt einem ein fischähnliches Wesen auf, (Surfbrett) das gerade das Wasser verlassen hat, flankiert von einem Rad schlagenden Pfau, beliebt in den Gärten der Renaissance, aber wir wollen nicht so eng mit der Zeitrechnung sein. Hinter der Hausecke links lauert ein Raubsaurier, übrigens die langlebigste Spezies überhaupt, im Begriff, sich eine malade zusammengebrochene Tarantel einzuverleiben, die ihrerseits extreme Materialermüdung aufweist.

Auf der rechten Seite, geht der Blick auf zum staksigen hochbeinigen, als Flugobjekt total unfähigen Riesen-Küken, als Babyschema bieten sich die farbigen Verkehrsampelaugen an.
Wir wissen, dass Ampeln, Schrauben, Batterien, große Radmuttern de facto nichts Heiteres oder Skurriles an sich haben. Die Wahl, allein die Kombination heiligt die Mittel.
Weiter daneben steht die „Kugel des Sisyphus“ dicht bestückt mit mittlerweile Ikonen des modernen Lebens.
Elektroherd, CD-Player, Rollstuhl, Heißwasserboiler, Einkaufswagen u.v.a.m. paraphrasieren die Kurzlebigkeit und unermüdlichen Anstrengungen für unentbehrlich gewordene Konsumartikel eines effizienten Alltags.

Den vorläufigen Endpunkt der Zeitreise bilden zwei, nach heutigen Wertmaßstäben, gelungene Frauenkörper.
Der eine drahtig hohl und durchlässig, was man auch immer damit verbinden mag, während die andere Skulptur mit eisengenähten und getackerten Verbänden und Bandagen anonymisiert ist.
Die Nova Genannten verstehen sich als Tor, als Durchgang in eine entfesselte, zur Runderneuerung auffordernde emotionsarme Gesellschaft und Wissenschaft.

Fazit:
Die Skulpturen des Odo Rumpf; die Chronisten der Meere, Wälder und Wüsten, wie der urbanen Welt, sind die Erzähler, nicht die Comedians des Außenbereichs.

 

Textauszug
Marise Schreiber
marise.reden.schreiber@web.de